Hans Ruedi Fricker
Das Trogener „Büro für künstlerische Umtriebe" ist eher eine Schaltzentrale
der Kommunikation als Atelier: Farbdrucker und Perforierungsvorrichtung, Computer
und Modem, Schriftzüge, Anstecknadeln, Plakate, Adressordner stapeln sich
hier. Seit den 80er Jahren steht Fricker als Mail-Artist mit Gleichgesinnten aus
Polen, USA, England, Südamerika und anderswo in Verbindung. Ausschlaggebend für
den Schritt in die direkte Vernetzung über den Postweg war der Gedanke der
demokratischen Kommunikation: Jeder kann Kunstvermittler und Künstler in einem
sein, Sender und Empfänger, ohne daß eine wie auch immer geartete Autorität
entscheidet, was an die Öffentlichkeit gelangt. Politik und Kunst vermischen
sich hier unweigerlich: Stempel, Kleber, Briefmarken und -umschläge sind eine
Art staatlicher Hoheitszeichen, die für sich eine allgemeingültige Aussage
beanspruchen. Diesem Monopol der Kommunikation unterwandern die collagenhaften
Briefsendungen, auf denen die „wirkliche" Briefmarke samt Absender und Empfänger
unter der Flut an „individuellen Hoheitszeichen" untergehen.
Doch das Spiel mitSchlagworten und Bildzeichen wurde Fricker schnell zu dekorativ und beliebig. Worte
sind geduldig, und die Kommunikation mit einem gesichtslosen Gegenüber gleitet
leicht ins Sterile und Abstrakte. Fricker provozierte den Slogan „mail art is peace"
durch die Aufforderung an die Mail-Artists, sich auch persönlich zu
begegnen: „After dadism, fluxism, mailism comes tourism". 1986 initiiert
er zusammen mit Günther Ruch den ersten Mail-Art Kongress, selbstverständlich
dezentral, demokratisch und unhierarchisch organisiert. Aus der unverbindlichen
Beziehung entstand ein reales Gespräch, das nicht immer friedlich blieb.
Neben der Mail-Art als eher virtueller Strategie, sich den öffentlichen Raum
anzueignen, nutzt Fricker auch ganz handfeste Verfahren. In den Arbeiten
mit „Orte-Schildern" legt sich ein sprachlicher Raum über den
konkreten: Das Schild „Ort der Angst" oder „Ort der Lüge", im öffentlichen Raum
aufgestellt, verändert schlagartig die Wahrnehmung des Ortes. Die Signalwirkung
des Schildes als Verbots-, Verkehrs- oder Informationstafel nutzt Fricker, um mit
an sich inhaltslosen Aussagen eine gedankliche Erweiterung des Raums herauszufordern.
- 1947 geboren in Zürich
- 1981 „Büro für künstlerische Umtriebe auf dem Land" gegründet
Einstieg ins internationale Mail Art Network
- 1986 initiiert mit Günther Ruch den „decentraliced world-wide mail art congress",
80 Sessionen in 20 Ländern, 50 Teilnehmer
lebt und arbeitet in CH-9043 Trogen, Hüttschwende,
Tel.: (0041) 71/ 3 44 22 49
Ausstellungen/Projekte
- 1984 „Boshafte Touren", Vernetzende Reiseaufrufe an 60 NetworkerBR>
- 1989 „I am a networker (sometimes)", Kunstverein St. Gallen
- 1994 „Mail Art Netzwerk der Künstler", PTT Museum Bern (mit Günther Ruch und Vänci Stirnemann)
- 1994 „Ortekataster für Bregenz", Magazin 4, Vorarlberger Kunstverein Bregenz
- 1997 „National Touring Exhibition", London Hayward Gallery
Literatur
- Katalog „I am a networker (sometimes)", hg.v. Kunstverein St. Gallen, Verlag VEXER, St. Gallen 1989
- „Ort der Orte", hg.v. Bernd Löbach, 1995
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