Simone Kuhn-Kappeler
Die Fotografin Simone Kuhn-Kappeler verwendet seit 1981 bevorzugt eine billige
Plastikkamera, Marke „Diana": Reduziert auf Gehäuse, einfache Blende, Filmtransportrad
und manuellen Verschlußmechanismus wurde das Modell „Diana" ursrpünglich für den
Schulunterricht entwickelt. Die Frage nach dem Wesen der Fotografie bestimmt auch
Kuhn-Kappelers Verwendung der Kamera. Die rudimentäre Technik des Apparats wertet den
Druck mit dem Finger zur künstlerischen Entscheidung auf - Belichtungszeit und
Bildausschnitt können nur gefühlsmäßig geschätzt werden, das Wissen um die Möglichkeiten
und Grenzen des Apparates ist vorausgesetzt. Resultat ist ein extrem „menschlicher"
Blick: „Diana" steht nicht für identische Abbildlichkeit und unhierarchische Detailgenauigkeit
des modernen Apparateprogramms, sondern für Unschärfe, für das zufällige Fixieren auf einen
Punkt. Die Fotografien der „Diana"-Serie präsentieren sich als Querschläger, als beiläufig
wandernde Blicke: Nie scheint das Objekt ganz gemeint zu sein, die Fotografie ist eher zufällige
Spur einer kurzen Berührung zwischen den Bewegungen der Fotografin und des Motivs. Die Unschärfe
der flächigen Abzüge, ihre verwischten Lichtsäume sprechen dem Sehen die Vorrangstellung ab -
der zerstreute Blick aus den Augenwinkeln charakterisiert das Sehen als Ablenkung von Wichtigerem.
Im Reflex aufgenommen, ähneln die Fotografien sprunghaft auftauchenden Erinnerungsbildern. Jedoch
steht nicht der Inhalt im Mittelpunkt, sondern der Prozess des Erinnerns selbst: An sich
unbedeutende Details stehen für einen Zusammenhang ganz anderer Art, der in der Fotografie
selbst nicht sichtbar wird. Die Motive sind dem Alltag entnommen - Felder, Wiesen, Häuser,
Angehörige - und so von täglicher Erfahrung durchtränkt, daß die Wahrnehmung von der sichtbaren
Oberfläche absehen kann. Die Alltäglichkeit des Abgebildeten läßt die Intimität umschlagen in
Anonymität: Das Haus, der Tisch, der Wald werden austauschbar und Teil der allgemeinen Wahrnehmung.
Durch Verfremdung wird die Grenze dieser Vertrautheit ausgelotet: Wieviel muß gezeigt werden, um
die Erkennbarkeit gerade noch zu garantieren?
- 1952 geboren in Frauenfeld, Schweiz
- 1976-79 Fachklasse für Fotografie an der Schule für Gestaltung, Zürich
- 1979,82,84 Eidgenössisches Stipendium für angewandte Kunst
- 1981-83 Aufenthalte in den USA und in Südfrankreich
- lebt und arbeitet in CH-8500 Frauenfeld, Zürcherstrasse 139,
Tel.: (0041) 52/ 7 20 47 45
Ausstellungen
- 1990 Fotoforum Pasquart, Biel, Schweiz
- 1992 Galerie Lindemanns, Stuttgart
- 1995 Scalo, Zürich
- 1996 Centre de la Photographie, Genf
- 1998 Kartause Ittingen, Thurgauisches Kunstmuseum
Literatur
- „Omphalos", 33 Fotografien in acht Teilen, Edition Selene, Verlag R. Mühlemann, Weinfelden, 1990
- „Diana", 42 Fotografien, Edition Selene, Verlag R. Mühleman, Weinfelden, 1995
- „Images", Centre de la Photographie, Genf, 1996
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