Harald F. Müller
Plastizität ist das Charakteristikum aller Arbeiten Harald F. Müllers, seien es Skulpturen oder
fotografische Arbeiten. Die Größe der Werke schafft eine Aura der Tatsächlichkeit, die sich als
nicht weiter hinterfragbar gibt - weder sind sie „nützlich" im Sinne einer Informationsübermittlung
noch „passen" sie unmittelbar in ihren Ortszusammenhang. Ihre Autarkie läßt den Betrachter zunächst
auf Distanz gehen, das Pathos des großen Formats macht jedoch eine Auseinandersetzung mit der
eigenwilligen Ästhetik unumgänglich. Die Werke fordern zu genauem und ausdauerndem Sehen auf,
in dessen Verlauf vorgefasste Meinungen über das jeweilige Medium ins Wanken geraten: Schematisierte
Wahrnehmungsstrategien, Konventionen des gesellschaftlichen Gebrauchs von Kunst gleiten ab an der
Oberfläche von geometrischen Steinblöcken und Raumkonstruktionen mit fotografischer Oberfläche.
Seit 1982 entstehen solche Raumkonstruktionen, welche unter Verwendung eines schmalen Fundus von
15 Fotografien den kunsttheoretischen Begriff des „Originals" untergraben: In enormer Vergrößerung
fertigt der Künstler Abzüge von Werbefotografien aus Archiven von Großunternehmen an. Größe und
Farbigkeit der Fotografien verändern sich mit jedem neuen Abzug - es sind „originale" Reproduktionen.
In zeitaufwendigen Recherchen werden die Vorlagen ausgewählt. Einziges Kriterium ist das Interesse, das
die Bilder auf die Dauer erzeugen: Kein Detail ist so dominant, daß es im Zentrum steht, die Vielzahl
an unstimmigen und gleichwertigen Botschaften summiert sich zu einer inhaltslosen Ungewissheit. Angebracht
auf Aluminiumkonstruktionen stehen die Cibachrome unverrückbar im Raum. Die aufdringliche Haltevorrichtung
sowie die in Nahsicht erkennbaren Rasterpunkte der Vergrößerung verändern den Status der Fotografie - sie
ist nicht mehr Mittel zur Illustration und Information, sondern Kunstwerk mit verschiedenen
Wahrnehmungsebenen. Die Bildtitel der Fotografien werden in dieses Projekt der Statusverwirrung
einbezogen: Aus Holz und Farbe zu dreidimensionalen Plastiken aufgebläht, schweben sie an der Wand. Ihrem
Zusammenhang entrissen, schwankt der Charakter der Lettern zwischen Schrift und Skulptur, Abstraktion und
Gegenständlichkeit.
- 1950 geboren in Karlsruhe
- 1970-76 Studium der Malerei und Plastik an der Kunstakademie Stuttgart
- 1971-73 Studium der Kunstgeschichte an der Universität Stuttgart
- lebt und arbeitet in D- 78337 Öhningen (Hegau), Kloster Öhningen
Ausstellungen
- 1986 Kunstverein Konstanz
- 1992 Galerie Carrée, Villa Arson, Nizza
Fosse aux Lions, Galerie Christian Nagel, Köln
- 1994 H.F. Müller/ Sam Samore, Kunsthalle Zürich
- 1995 Wagram, Nice Fine Arts, Nizza
- 1996 Transformador, Galerie MAI 36, Zürich
Fleurs Du Mal, Mirko Mayer, Köln
- 1998 Meer, Galerie MAI 36, Zürich
Literatur
- Katalog Kunsthalle Zürich, mit einem Text von Dr. Bernhard Bürgi, Zürich, 1994
- Gilla Lörcher: „Brillantes Schweigen", Frankfurter Rundschau, 10.11.1992
- Katalog Villa Arson, Nizza, 1992
- Le monde critique, Katalog, Christoph Blase, Kunsthalle Hamburg, 1991
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