stöckerselig
Für Annette Stöcker und Christian Selig ist Kunst kein plüschgepolstertes Séparée, in dem der Luxus
alltagsenthobener Irrationalität gepflegt werden kann. Eher gleicht in ihrer Auffassung die Kunst
einem Durchgangszimmer: Ohne offensichtliche Funktion, von allen Seiten betretbar, dient dieser Durchgang
vor allem dazu, Freiräume im Alltag zu eröffnen. Seit 1987 leben und arbeiten stöckerselig zusammen; die
geräumige Fabrikhalle in Amriswil ist Atelier, Kinderstube, Wohnküche und Galerie in einem. Es entstehen
Performances, Installationen und Objekte, deren augenscheinliche Disparatheit Programm hat. Denn die Wahl
unterschiedlichster Medien wie Fotografie, Sprache, Video und Skulptur ist Ausdruck eines grundlegenden
Interesses am Zwischenraum, der sich bildet, wenn die Alltagsrealität künstlerisch hinterfragt wird. Die
Installation „Durchgangsgefässe" von 1997 weist die Charakteristika dieses Zwischenraumes auf: Irritation
der Wahrnehmung, Dysfunktionalität und daraus folgend eine körperliche Erfahrung des Raums und der
Objekte, die sich nicht vom vorgefassten Raster der Rationalität leiten lässt. Über tausend weiße
Tongefässe, in jahrelanger handwerklicher Arbeit entstanden, lagern auf weißen Plattformen. Es sind
vertraute Formen, die an alles mögliche und an nichts bestimmtes zugleich erinnern: Das Inventar eines
Installateurs, eine Sammlung von Körperprothesen, riesige Nachbildungen von Insektenbeinen? Die
Unüberschaubarkeit der lagernden Röhren und die Unmöglichkeit, diese Zusammenstellung begrifflich zu
fixieren, lässt ein sowohl visuelles als auch gedankliches Flimmern entstehen. Verstärkt wird dieser
Schwebezustand noch durch ein dutzend Videos, die parallel zum weiss-auf-weiss der Röhren eine endlose
Schlaufe von Alltagsmomenten wiedergeben: Eine Hand streicht ein Blatt glatt, ein Luftballon wird
aufgeblasen, ein Schiff fährt vorüber. In der Wiederholung löst sich der Inhalt, die Bedeutung der
Videosequenzen auf. Es bleibt die Form, die den Betrachter nicht in-formiert, sondern als leeres
Gefäß zur Füllung einlädt.
- Annette Stöcker
1962 geboren in Biel, aufgewachsen im Kanton Bern
Lehre als Töpferin, École des Arts décoratifs, Genf
- Christian Selig
1954 geboren in St. Gallen
F&F Schule für experimentelle Gestaltung, Zürich
Studium bei verschiedenen japanischen Zen-Meistern
- 1987 Beginn der Zusammenarbeit von Annette Stöcker und Christian Selig
- beide leben und arbeiten in CH-8580 Amriswil, St. Galler Straße 24,
Tel.: (0041) 71/ 4 11 74 37
Ausstellungen
- 1990 Kunsthalle St.Gallen
- 1991 Shedhalle Zürich "Der mediatisierte Blick"
- 1992 Kunsthalle Wil
- Eidgenössisches Stipendium, Kunstmuseum Aarau
- Galerie Margine, Zürich
- „Zeichnungen", Galerie Bob van Oursow, Zürich
- „Tripute to...", Kunsthalle St.Gallen,
- 1993 „Labor" Kunsthalle St.Gallen
- Museum Ariana Genf
- Galerie Margine, Zürich
- 1994 Galerie desinfarkt, Bern
- Kunstraum Kreuzlingen
- Galerie Margine, Zürich
- Eidgenössisches Stipendium, Muba Basel
- Kunststipendium des Kantons Zürich
- 1995 „Double Rooms", Bildraum Zürich
- „aufgedeckt - aufgetischt", Kunsthaus Langenthal
stöckerselig und SchülerInnen
- Kammgarn Schaffhausen, Zürcher KünstlerInnen
- Helmhaus Zürich, Stipendium der Stadt Zürich
- 1996 „Vom Verschwinden des Körpers", Kunstraum Aarau
- 1997 „Durchgangsgefässe", Kunstmuseum des Kantons Thurgau,
Kartause Ittingen (Warth)
Literatur
- Katalog „Vom Verschwinden des Körpers", hg.v. Kunstraum Aarau, 1996
- Katalog stöckerselig „blind bauen so wie schnee liegt", hg.v. Kunstmuseum des Kantons Thurgau, 1997
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